Wer auf Sizilien das Chaos, fehlende Organisation und Dolce far niente in öffentlichen Verkehrsmitteln sucht, der findet diese, aber es gibt eben auch Improvisationsgabe, Flexibilität und guten Willen, so dass die Fahrten in Bussen und Bahnen Freude bereiten. Bereits das Hinkommen mit dem Zug (Nachtzug München – Palermo Fahrtdauer etwas 22 Stunden) bereitet auf den süditalienischen Lebensrhythmus vor: es geht alles etwas langsamer als man sich das vorstellt, aber irgendwann bist Du am Ziel.
Mit der Eisenbahfähre über die Meerenge von Messina
Schon die Überfahrt mit der Eisenbahnfähre über den Stretto di Messina von Kalabrien nach Sizilien ist ein Anachronismus. Diese selbst dauert nur rund zwanzig Minuten. Von der Ankunft im Fährhafen in Villa S. Giovanni bis zur Abfahrt in Messina Marittima sind es aber insgesamt rund zwei Stunden. Zeit- und auch personalaufwändig ist insbesondere das Rangieren der Züge, da der komplette Zug zu lang für die Fähre ist.
Youtube-Video von Peppe Campa von der Einfahrt der Waggons auf die Fähre
Rangieren eines Zuges im Fährhafen Villa San Giovanni
Um Abhilfe zu schaffen hatte bereits vor knapp 150 Jahren der Ingenieur Carlo Navoni einen Tunnel bauen wollen. Später wurde mehrfach über Brücken nachgedacht. Die Strecke von Messina nach Catania wäre dann heute mit Zug oder Auto in einer knappen Viertelstunde zu schaffen. Die Regierung Berlusconi hatte ab dem Jahr 2003 ein entsprechendes Projekt initiiert, das aber unter der Regierung Prodi vorläufig endgültig eingestellt wurde. Gründe für das Scheitern waren neben geologischen Gegebenheiten – ganz Süditalien ist ein einziges Erdbebengebiet – die Anforderungen des Schiffsverkehrs. Um diesen in der Meerenge von Messina unverändert fortführen, wäre letztendlich die längste und höchste Hängebrücke der Welt in einer Gegend, die schon seit Odysseys‘ Zeiten für heftige Winde bekannt ist und somit nach Meinung der Projektgegner für Hängebrücken gänzlich ungeeignet, entstanden:
- Hauptspannweite 3.300 Metern, Gesamtlänge 3.666 Metern, Turmhöhe 382,60 Meter
- Breite: 61 Meter mit zwei Bahngleisen und acht Fahrbahnen für den Autoverkehr
Hinzu kamen Bedenken von Umweltschützern sowie Befürchtungen, die Mafia und deren kalabresische Variante Ndrangheta könnten über Scheinfirmen Gelder des Projekts abgreifen. Diese Rahmenbedingungen führten zu immer neuen Kostensteigerungen und zusammen mit den allgegenwärtigen finanziellen Engpässen zum Ende des Projekts.
Openstreetmap-Karte der Meerenge von Sizilien
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Die bislang fehlende feste Straßen- oder Zugverbindung zwischen dem italienischen Festland und Sizilien gilt als Fortschrittsbremse. Die Transportkosten auf die Insel und vice versa sind ein bedeutender Nachteil für die sizilianische Wirtschaft.
Unterwegs in Sizilien
Um auf der Insel voranzukommen gibt es neben den Eisenbahnen, die zwischen den großen Städten wie Palermo, Messina und Catania verkehren, ein Regionalbusnetz das tagsüber Verbindungen im 1- bis 2-Stundentakt bietet. Eine besondere Attraktion ist die 950-mm-Schmalspurbahn Circumetnea – wörtlich etwa „um den Ätna“ – zur Erkundung des imposanten Vulkans. Innerstädtisch ist es ein bisschen chaotisch, so passiert im Juni 2017: wie auch schon in Como, war es auch in der sizilianischen 75.000-Einwohnerstadt Trapani gar nicht so einfach an Fahrkarten für eine innerstädtische Verbindung zu kommen: Fahrkartenautomaten gibt es nicht, als offizielle Verkaufsstelle dient der Tabacchaio (Tabak- und Zeitschriftenladen), der aber gerade nur noch eine Fahrkarte vorrätig hatte, weil der Laden vor der Schließung stand. Hier war der Kontrolleur im Bus gründlich, aber flexibel: jeder Fahrgast wurde gleich beim Einsteigen kontrolliert, Einstieg nur vorne, so dass Schwarzfahrer keine Chance haben. Glücklicherweise gab es jedoch hier die Möglichkeit, ein Ticket zu lösen.
Vor Ort in Trapani sind Ausflüge mit der Seilbahn auf den Monte Erice sowie mit den Fähren auf die mehr oder weniger nahegelegenen Inseln empfehlenswert.
Ein Zug der Circumetnea verlässt Paterno Richtung Catania.
Von Jagger (Diskussion) – selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0, Link
Weitere Quellen:
- https://de.wikipedia.org/wiki/
Br%C3%BCcke_%C3%BCber_die_Stra%C3%9Fe_von_Messina - https://www.berliner-zeitung.de/
zwischen-sizilien-und-kalabrien-soll-eine-haengebruecke-gebaut-werden- -das-projekt-ist-umstritten- gefaehrliche-wirbel-16283108 - https://blog.rail.cc/de/
im-nachtzug-nach-sizilien/
Titelbild: Hafen von Trapani, der als Ausgangspunkt zu den egadischen Inseln dient.
Der Beitrag Bahn, Bus & Fähre in Sizilien: ein bisschen Chaos muss sein erschien zuerst auf Railfreak.